Klub Drushba von Rebecca Maria Salentin – Eine Buchkritik.
Das schreibt der sächselnde Rotschopf Johann, – ein sportlicher Mittdreißiger mit Basecap, türkisblauen Alpenseen-Augen und Sommersprossen – in die WhatsApp-Gruppe „Klub Drushba“. Die Autorin Rebecca Maria Salentin hat sie eigens für diese Fernwanderung eingerichtet. Um mit ihren Freunden in der Heimat in Kontakt zu bleiben. Drushba bedeutet Freundschaft und war Gruß im Sozialismus.
lautet denn auch passenderweise der Beinamen des Weges, den Rebecca und Johann in dem vorgestellten Buch wandern.
Ohne voneinander zu wissen, sind sie beide im Jahr 2019 aufgebrochen, um den einzigen grenzüberschreitenden Fernwanderweg im Sozialismus, den EB, in seiner vollen Länge zu gehen.
Der Weg verläuft auf rund 2.700 Kilometern von Eisenach in Thüringen durch Sachsen, Tschechien, Polen und die Slowakei bis Budapest in Ungarn.
Eine pinke Regenjacke sorgt für das Aufeinandertreffen der beiden Solo-Wanderer. Rebecca vergisst sie am Weg. Johann trägt sie hinter ihr her. Ein Service, der ihn Pluspunkte bei ihr sammeln lässt – und die der Sachse sofort wieder einbüßt. Denn das Pin-up-Girl im Display seines Handys gefällt ihr überhaupt nicht.
Die Gegensätze könnten kaum größer sein. Aber entgegen Johanns Ankündigungen an jedem Wandermorgen, er würde bald davon sein, ist er abends doch immer bei ihr.
Was klingt wie ein Liebesroman, ist tatsächlich die als Reisebericht getarnte 2.690 Kilometer lange Liebeserklärung an das, was im Leben zählt: Freundschaften.
Nach dem Bekanntwerden einer großen Lüge trennte sich die Autorin von ihrem langjährigen Partner. Aber das war nicht der Grund für diesen dreimonatigen Thru-Hike im Osten Europas.
Die Wutzidee zur Wanderung kam Rebecca Maria Salentin schon vor der Trennung. Der Weg war als symbolischer Übergang zwischen zwei Lebensabschnitten geplant:
Die Söhne volljährig und auf dem besten Weg in die Selbständigkeit. Die Autorin, knapp 40, möchte nach zehn Jahren ihren bisherigen „Brotjob“ – ein zum Sommercafé umgebauter Zirkuswagen – in andere Hände geben, um sich künftig ausschließlich auf das Schreiben ihrer Bücher zu konzentrieren.
(Wutzidee ist Eifelspreche für einen dummen Einfall.)
Andere Menschen unter ihren körperlichen Voraussetzungen, wanderten erst gar nicht los:
Sie ist an Hashimoto erkrankt.
(Beutel voll Hormontabletten im Gepäck.)
Gluten verträgt sie nicht.
(Wird von manchem Mitmenschen als großstädtisches Getue abgetan.)
Sie ist dick, untrainiert und wandermufflig.
(Endgültige Disqualifikation für ein Wandervorhaben dieser Größenordnung!)
Sie beschreibt sich selbst als langsam wie ein Grottenolm (das Tier schafft 5 Meter im Jahr) und erklärt Spinnen, Hunde, Gewitter und Höhen zu ihren Angstgegnern. Schwindel, Herzrasen und Atemlosigkeit seien ihre ständigen Begleiter. Keine Treppenstufe nimmt sie, ohne gleich zu schnaufen und zu ächzen.
An Karfreitag steht sie in Eisenach am Beginn des Wanderweges. Single und obdachlos. Ihre 6-Zimmer Altbauwohnung mit Stuck, Parkett und geölten Dielen ist entrümpelt und aufgelöst, die schöne rote Lockenmähne gegen den Protest der Freunde radikal und outdoorpraktisch gekürzt. Gegen all die Widrigkeiten zieht sie los, um sich, wie sie schreibt, „den Boden unter den Füßen zurückzuerlaufen“.
Nicht nur in der besagten WhatsApp-Gruppe, sondern auch auf dem Weg selbst. Immer wieder wird sie von ihren Freunden besucht.
Zum Beispiel von Nina. Ein wandelndes Lexikon und wie die Autorin aus einem binationalen und bireligiösen Elternhaus stammend. Auf der Wanderung vertiefen sie erstmals diese Gemeinsamkeiten.
Oder ihr Freund Moustafa, der sich an seine Flucht aus Syrien erinnert fühlt und ein Stück seiner Ängste auf dem Weg vergessen kann. Auch die Autorin setzt sich auf der Wanderung mit einer Flucht in ihrer Familiengeschichte auseinander: Mit der der Großeltern, die eben diese Länder und Regionen die sie jetzt durchwandert, damals im Krieg durchstreift haben mussten.
Schulfreundin Tamara kommt mit Ehemann und vierjährigen Sohn in der polnischen Tatra zu Besuch auf den EB. Sie schaffen es Missverständnisse, die fast zwanzig Jahre Freundschaft gekostet haben, auszuräumen.
Kofola, Knacker und Kaktus-Eis. Die Vorfreude darauf holen Rebecca aus so manchem Wandertief heraus. Kofola ist die tschechische Parallelerscheinung zur amerikanischen Coca-Cola.
Und da ist noch Johann, der immer wieder zu ihr zurückkehrt. Bald kommt es zu mittäglichen Schäferstündchen in Wald und Wiese. Doch hat diese Wander-Liaison tatsächlich Chance auf Zukunft außerhalb des Wanderweges? Und warum hat für Johann die Sonne aufgehört zu scheinen? Beides erfahrt ihr im Buch!
„Klub Drushba“ ist sehr humorvoll geschrieben. Bildhafte und fast poetische Landschaftsbeschreibungen wechseln sich ab mit Schilderungen der manchmal skurrilen Begegnungen mit Mensch und wildem Getier am EB. Mal sind die Leute verschlossen, unverhohlen fremdenfeindlich, mal herzlich und aufopfernd hilfsbereit.
Die Autorin nimmt den Leser mit in ihre nicht immer leichte Vergangenheit und zeigt, wie die Freundschaften und diese Wanderung einen anderen Menschen aus ihr geformt haben.
Nicht zuletzt lernt der Leser mit dem EB einen Europäischen Fernwanderweg kennen, der sich vor den großen Brüdern in Übersee (Appalachian Trail, Pacific Crest Trail) nicht zu verstecken braucht.
Ich will direkt loswandern! – Kaufempfehlung!
Der Verlag war so freundlich, mir für diese Rezension den Text bereits vor Erscheinen des Buches kostenlos zur Verfügung zu stellen. Auf meine Meinung hat dieser Umstand keinen Einfluss.
ist 2021 im Verlag Voland & Quist erschienen.
Die 320 Seiten Lesespaß kosten 20,– EUR in der Printversion, digital ist es für 11,99 EUR zu haben.