Manchmal „verkommt“ das Wandern bei mir zum reinen Kilometersammeln. Das ist wie bei diesen Überraschungsei-Schüttlern: Sie kaufen sich die Süßigkeit nur, weil sie hoffen, diese eine letzte Sammelfigur zu ergattern. Die Serie soll endlich komplett in der Vitrine stehen.
Das Wandermosaik ist meine Vitrine. Und die Fernwanderwege meine Überraschungseier. Je weniger ich vorher über den Weg recherchiert habe, desto spannender. Wobei – hier fehlt mir noch der Beweis. Ich habe bislang keine Etappenwanderung tatsächlich geplant. Schwer zu sagen, was selbst auf einer akribisch vorbereiteten Reise an Überraschungen passieren. Platz für Abenteuer gibt es genug zwischen all den vielen Kilometern.
Und manchmal steht ein Weg schon beinah komplett in der Vitrine. Es fehlt nur noch eine Figur aka Etappe. So ging es mir mit dem Frankenweg. Angefangen hat es mit einem Stückchen mittendrin (Kleinvillars – Diefenbach), das ich am 8. Februar 2020 spontan gewandert bin. Rein zufällig war ich bei meiner Wanderung von Bretten nach Hause, in Kleinvillars auf das Wegzeichen des Frankenwegs gestoßen. Mir war bekannt, dass der Weg in Sternenfels vorbeiführt und bin ihm deshalb statt der ursprünglichen Planung (direkter Weg) gefolgt.
Und es ist wie mit diesem Ü-Ei, das die Tante als Mitbringsel aus der Tasche holt. In ihm steckt diese erste Figur einer Serie. Das Kind ist zum Sammeln verführt.
So, und nun fehlt der letzte Teil: Pforzheim – Kleinvillars. Wie gesagt, es war mehr Drang zur Pflichterfüllung, denn wirkliche Wanderlust, als ich am Morgen des …
… um 8:46 Uhr mit 836 Schritten in Pforzheim – Kupferhammer am Tor zum Schwarzwald stand. Mein Schatz hat mich hergebracht – vor wenigen Monaten hier abgeholt, als ich den HW 10 bewanderte – die Theorie der ununterbrochenen Schritte.
9:26 Uhr, 4.014 Schritte. Pforzheim-Innenstadt. Ich lasse es langsam angehen. Hab mir beim Café „Nussbaumer“ einen Kaffee geholt und setze mich auf die Betoneinfassung eines Stadtbeetes; ein architektonisch moderner Kirchturm in Sichtweite. Das Getränk ist kochend heiß – ich lese ein paar Zeilen in dem PCT Buch*, das mir als Reisebegleitung dient. Um 9:43 Uhr gehe ich weiter.
10:40 Uhr, 9.178 Schritte. Pforzheim liegt endlich hinter mir. Kein Hupen mehr, keine Fußgängerampeln mit extrem langen Rotphasen, keine Hektik auf den Gehsteigen. Erschreckend, wie schnell mich das Stadtleben heutzutage stresst! In Pforzheim bin ich auf den Wanderweg des Mühlacker Pilgers gestoßen. Es ist der „Hugenotten- und Waldenserpfad“. Dieser führt von Pforzheim über Bauschlott nach Kleinvillars und wird mich heute auf dem HW 8 durchgehend begleiten.
11:00 Uhr, 9.870 Schritte. Alfons-Dürr-Hütte. Hier raste ich und lese ein paar Minuten. 10 Meter vor mir stoppt ein Radwanderer, die Sattel- und Vorderradtaschen schwer bepackt. Woher? Wohin?, liegt mir auf der Zunge. Er scheint ebenfalls hungrig nach Konversation. Aber als normaler Tageswanderer unterwegs, kommt dieses Feeling von Reisen und Unterwegssein, dem Gemeinschaftsgefühl der Weitwanderer, nicht auf. Und Fremde bleiben, was sie sind: fremd. Das Stummbleiben siegt über das Neugierigsein.
12.24 Uhr, 16.808 Schritte. Göbrichen/Neulingen. Der Weg bis hier her führte über freie Landschaft, abgeerntete Felder, Streuobstwiesen (mit leckeren Zwetschgen), Maisfelder. Der Himmel ist diesig. In der Bäckerei Bischoff habe ich mir einen Kaffee und ein mit Käse überbackendes Laugenweckle geholt. In dem Laden war eine lustige Stimmung unter den Frauen: ein fröhliches Tratschen, wie früher bei „Tante Emma“. Jetzt draußen auf einer Bank plätschert vor mir ein Brunnen mit dem Hinweis: Wasser nur in verträglichen Mengen entnehmen! Zapfen sich hier wirklich Anwohner etwas ab? Schwäbischer Sparergeist!
13:00 Uhr. Nach Käselaugenweckle, Reis aus der Tüte und einem Kapitel im Buch gehe ich weiter.
Um 14:34 Uhr bei 26.582 Schritten habe ich in Kleinvillars den Frankenweg (HW8) komplettiert. Jetzt sitze ich um 15:00 Uhr am Aussichtsturm Ruit (Wanderparkplatz Wetterkreuz) und warte auf den Abholservice (meine Eltern).
Die Strecke heute hat mir am wenigsten Spaß bereitet. Vermutlich weil ich es als Pflichterfüllung betrachtet habe. Aber jetzt habe ich den HW 8 in der Tasche! Nein, nicht in der Tasche. In der Vitrine.
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