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Das Gewicht der Spontaneität

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Das Gewicht der Spontaneität

Published by Meik at 06.09.2021
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Main-Stromberg Weg (HW 15)

Bei 7.524 Schritten auf der Uhr geht es am Nachmittag in Sternenfels los.

Es wird mich nie mehr begleiten!, hatte ich mir geschworen. Das schwere weiß-graue Rucksackmonster. Und doch habe ich es wieder eingeladen … ähm … beladen.

An einem späten Nachmittag im Juni drückte es mich 23 Kilo schwer in den Boden. Der Trekkingstock half mir beim Ausbalancieren, während mein Schatz das Startfoto knipste und ich gekünstelt lächelte.

Mir wurde klar: Nur weil ich schon einmal einen Artikel über einen Fehler verfasst hatte, schützte mich das nicht vor einer Wiederholung desselben.

Das Vorhaben/der Plan

Rund drei Kilometer des Main-Stromberg-Weges gehören zu meinem „Revier“ als Wegewart. Alle Fernwanderwege, die ich im Rahmen meines Ehrenamtes pflege, möchte ich vollständig wandern.
Den Stromberg-Schwäbischer Wald Weg (HW10) und den Frankenweg (HW 8) habe ich im letzten Jahr abgehakt.

Den Main-Stromberg Weg werde ich heuer in 4 ½ Tagen „thruhiken“.

Bild: Maplibre|(c) komoot| Map data (c) OpenStreetMap-Mitwirkende

Der Main-Stromberg Weg ist der 15. Hauptwanderweg des Odenwaldklubs. Er führt auf 170 km von Nord nach Süd durch den Odenwald. Frankfurt/Sachsenhausen ist der Startpunkt. In Sternenfels, meinem Heimatort, liegt der südliche Terminus.

Motivierte Wanderer können hier acht Kilometer des Frankenwegs (HW 8/Schwäbischer Albverein) anhängen und die Reise beim Weltkulturerbe Kloster Maulbronn beenden.

Für meine Zwecke habe ich die Route umgekehrt und bin in Sternenfels gestartet. Ich werde also den Odenwald von Süden nach Norden durchwandern.

Was mit kann, geht mit! Das ist alles, nur nicht „ultraleicht“.

„Willst Du das Stativ wirklich mitnehmen?“,

fragt mein Schatz. “Wie soll ich ohne wackelfreie Bilder filmen?”, frage ich zurück ohne mir einzugestehen, dass an mir kein Videofilmer verloren gegangen ist. Das Handwerk ist mir zu aufwändig – hält mehr auf, als es mich begeistert. Dieses gekünstelte vor der Kamera Hantieren, tausend und eine Einstellung suchen, Auf- und Abbau, Licht, Ton, Perspektive … Ach! Wie viel lieber sind mir da die schnellgeknipsten Handy-Fotos.

Einige Wegzeichen habe ich mir in die Wanderhose gepackt. So konnte ich „on the run“ ausgeblichene Zeichen überkleben. Auf dem Bild lässt sich erkennen, wie schwer sich das graue Rucksackmonster an mich klammert ;))
Mal kurz nachgerechnet: 577 g Stativ, 430 g Sony-Kamera, 160 g DJI-Gimble-Kamera, 142 g Ladegerät und Akkus. Ergibt 1.309 g Foto-Ausrüstung, die ich nicht nutze.

Schon am nächsten Tag packe ich die Videokamera weg, vergrabe sie tief im Rucksack, schnalle das Stativ an ihm fest und wandere zügiger.

Tag 1. Von Sternenfels nach Landshausen (18 Kilometer)

Keeping Up with the Joneses oder das grünere Gras des Nachbarn

In Kürnbach, dem Nachbarort von Sternenfels, kam ich – wie schon oft in den letzten Monaten – an einem Haus vorbei, in dessen Garten ein Swimmingpool gebaut wird. Ein ernsthafter – kein aufblasbares Plastikbecken, das (nach den ganzen Trampolinen) fast in jedem Vorgarten steht. Nein, hier ensteht ein in den Boden eingelassenes Bassin. Auch heute fuhrwerkte wieder ein Bagger herum und ich dachte: „Ist der noch nicht endlich fertig?“ Bis ich begriff, dass es sich um das Grundstück des Nachbarn handelte. Dort war jetzt ebenfalls eine Poolbaustelle … Ich musste herzlich schmunzeln. Was der Nachbar hat, will ich auch haben! Dieses „Wettrüsten“ scheint allzu menschlich.

Nase voll Heuduft/ die Ähren wiegen im Wind/ Rucksack drückt mich schwer.

20:24 Uhr; 30.712 Schritte, Grillhhütte Steidig bei Landshausen

Der Plan war, hier die Nacht zu verbringen. Aber ich bin nicht alleine. Ein Liebespärchen nuckelt an Bierflaschen. Ich spiele auf Zeit und suche erstmal nach dem Gaskocher. Zu Abend gibt es einen aufgewärmten Beutel Curryreis mit Linsen. Das Tütenfutter ist ein Überbleibsel meiner letzten Wanderung und ist seit Mai über dem Mindesthaltbarkeitsdatum. Das muss nichts bedeuten. Dass ich zwei Gaskartuschen mitgenommen habe, hingegen schon.

Es heißt, dass ich die 193 Gramm der zweiten Kartusche nur aus Angst mit mir herumschleppe, dass die angebrochene nicht reicht. Wäre ich mir darüber im Klaren, wie hoch der Brennstoffbedarf für das Erhitzen eines halben Liters Wasser ist, könnte ich das voraussichtlich benötigte Gas besser abschätzen.

Das Einzige, was ich hier an der Grillhütte abschätzen kann, ist, dass dieses Pärchen nicht so schnell abziehen wird. Die beiden haben zwar aufgehört Bier zu trinken, nuckeln stattdessen jetzt aber aneinander. Bevor es Dinge zu beobachten gibt, die ich nicht sehen möchte, zieht es mich weiter.

Mal kurz nachgerechnet: 577 g Stativ, 430 g Sony-Kamera, 160 g DJI-Gimble-Kamera, 142 g Ladegerät und Akkus, + 193 g zweite Gaskartusche. Ergibt 1.502 g Ausrüstung, die ich nicht nutze.

Mein Zelt baue ich kurz vor Einbruch der Dunkelheit am Rande einer gemähten Wiese unter einem Baum auf. Das geschnittene Gras liegt dörr in Reihen. In der Ferne höre ich einen Traktor seine Kreise ziehen. Das Geräusch ist mir von daheim vertraut. Es ist ein Ballenpresser. Müde hoffe ich, dass das Heu und ich diese Nacht ungestört bleiben.

Ich habe heute 33.225 Schritte absolviert.

Tag 2. Von Landshausen nach Mückenloch (40,2 Kilometer)

5:52 Uhr, 405 Schritte, Zeltwiese

Der Ballenpresser war bis weit nach Mitternacht aktiv, drang aber nicht mehr zu mir vor. Mein Zelt stand in einer Kuhle und bescherte mir einen Schlaf in Schräglage. Den Zeltplatz werde ich künftig besser wählen.

Blick auf Tiefenbach

8:00 Uhr, 7.562 Schritte, am Naturerlebnispfad bei Tiefenbach


Mit der abgesägten Bürste putze ich mir die Zähne und bemerke, dass die blaue 2-Liter-Trinkblase in die Außentasche des Rucksackmonsters suppt. Also fülle ich das Wasser in die leergetrunkenen Silikonflaschen um. Die Blase wandert in den Mülleimer des Rastplatzes – der Rucksack ist damit 150 Gramm leichter – künftig werde ich aber 2 Liter weniger transportieren können. Weitere 2000 Gramm am Rucksackgewicht gespart.

Auf dem Wanderweg lehren Schilder, u.a. warum die Vogelkirsche (= Wildform unseres Gartenbaumes) vermehrt angepflanzt wird. Sie kommt gut mit Hitze und Trockenheit klar und ist damit besser an den Klimawandel angepasst. Ob ich mit dem um zwei Liter geschmälerten Wasservorrat ebenfalls gut an die folgenden heißen Tage angepasst bin, wird sich zeigen.

Für heute habe ich mir mindestens 40 Kilometer vorgenommen. Zur mentalen Unterstützung höre ich das Buch „Willenskraft“ von Christian Bischoff und versuche, langsam auf der Wanderung anzukommen.

MB1
MB2
MB3
Die Sankt Michaelskapelle bei Eichelberg. Die beiden anderen Kapellen der Triangel stehen in Cleebronn und Untergrombach.

Oberhalb des Ortes Eichelberg, wo mich der Weg durch die Weinberge führt, spanne ich zum ersten Mal meinen Sonnenschirm auf, weil der Planet unangenehm zu blenden beginnt. Ich erwähne den Schirm beinahe in jedem Artikel, ich weiß. Für mich ist er jedoch die viel bessere Lösung als der Sonnenhut, mit dem ich die Wanderung begonnen habe, weil mir die Kombination Schirm und schönes Wetter unterschwellig peinlich war. Nun ist der Hut (65g) jedoch tief im Rucksack verstaut, weil ich das Schwitzen unter ihm hasste.

Oben am Kapellenberg (302m) angekommen, entdecke ich – wie der Name vermuten lässt – eine kleine Kirche.

Zusammen mit zwei weiteren Kapellen, so lerne ich, ist sie Symbol für die Dreieinigkeit Gottes. Die drei Bauwerke bilden eine geographische Triangel:

Von jeder der Kapellen sind bei geeignetem Wetter die jeweils beiden anderen zu sehen.

Ob bei der Altarfigur die Proportionen richtig getroffen sind, frage ich mich. Der heilige Michael erscheint im Vergleich zu dem erlegten Drachen geradezu riesig.

Weitere Infos zur Kapelle findest Du hier.

10:13 Uhr, 18.411 Schritte, Waldangelloch

An einem zentralen, schattigen Platz mit trockengelegtem Wasserspiel und baumstammumsäumten Bouleplatz (vermutlich für gesellige Stunden der Dorfgemeinschaft in prä-pandemischer Zeit), gegenüber des Gasthofs und der Metzgerei „Zum Adler“, lasse ich Haferflocken in kaltem Wasser quellen.

Bei dieser Gelegenheit trenne ich mich von einem Trinkbecher, der Dreingabe zum Kochgeschirr war, aber für den ich nie Verwendung fand. Jetzt über diese wenig nachhaltige Entsorgungsaktion nachgedacht, komme ich mir schäbig vor. Zumindest war mein Gepäck 36 Gramm leichter.

Im Kraichgau begegnen mir am Weg viele Bildstöcke. Meist wird Jesus am Kreuz dargestellt. Der Themenwanderweg „Waldenser- und Hugenottenweg“ ist weiter oft mit dem HW 15 identisch und so frage ich mich, ob die häufigen Kleinkunstwerke am Weg und die in diese Region eingewanderten Jesusgläubigen im direkten Zusammenhang stehen. Ich habe es nicht herausgefunden.

Felder vor Sinsheim
Felder vor Sinsheim
Schattenlose Felder nach Sinsheim
Schattenlose Felder nach Sinsheim
Blick auf Sinsheim
Blick auf Sinsheim
In Sinsheim
In Sinsheim
Wegevielfalt in Sinsheim
Wegevielfalt in Sinsheim
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12:44 Uhr, 29.945 Schritte. Vegetarischer Döner in Sinsheim


Ein freundlich Städtchen scheint das ex-kurpfälzische „Sinse“ zu sein. Die Fußgängerzone ist zur Mittagszeit voll Menschen, hier und dort wird Eis geschleckt, gelacht und diskutiert. Die Sommerlaune und die Freude über die Lockerungen der Corona-Maßnahmen sind in den Gesichtern der Leute zu erkennen – den Masken zum Trotz.

Lange verweile ich nicht. Nach einem Veggi-Döner gehe ich weiter, fülle mir kurz vor Ortsende am städtischen Friedhof die 3l-Trinkblase auf und bin wieder für mich alleine.

14:00 Uhr, 34.658 Schritte, weit hinter Sinsheim.

Der Kraichgau ist geprägt von Getreide- und Maisfeldern. Ohne Schatten zu finden, wandere ich an ihnen entlang, die schwitzenden Füße schwimmen in den Schuhen.

Endlich erreiche ich ein Waldstück.

Kraftlos dringen die Sonnenstrahlen durch das Blätterdach.

Eine Stunde Pause will ich mir hier im Schattenreich gönnen. Beim Gemütlichmachen auf einem gefällten Baum, entdecke ich eine Zecke in meiner Wade stecken. Ich zupfe sie aus der Haut, schicke sie in die ewigen Jagdgründe und versuche im Buch „Das Glück des Gehens“ zu lesen.

Müdigkeit übermannt mich schon nach wenigen Zeilen. Aber das ist kein Problem. Ich habe Klopapier im Gepäck (141 g). So bin ich nicht wie Christine Thürmer gezwungen, mindestens zwei Seiten am Tag zu lesen, damit das Papier seiner Zweitverwertung zugeführt werden kann.

Dennoch: Ich schleppe 230 Gramm ungelesenes Buch mit mir herum.

Mal kurz nachgerechnet: 577 g Stativ, 430 g Sony-Kamera, 160 g DJI-Gimble-Kamera, 142 g Ladegerät und Akkus, 193 g zweite Gaskartusche, +65g Hut, + 36g Trinkbecher + 230 g Buch. Ergibt 1.833 g Ausrüstung, die ich nicht nutze.

Bis 20:00 Uhr wandere ich weiter.

Das Schrittekonto wächst auf 57.277 Schritte, was etwa 40 Km entspricht.

Ich sitze bei Mückenloch im Wald, betreibe Katzenwäsche und lasse mich von Schnaken stechen – wie passend.

Tag 3. Von Mückenloch nach Tromm (41,2 Kilometer)

6:33 Uhr, 3.627 Schritte, bald in Dilsberg.

Schon vor 5 Uhr habe ich mein Lager abgeschlagen – weil es doch recht nahe am Forstweg lag und ich befürchtete, von den ersten Gassigehern oder Joggern entdeckt zu werden. Bei der Eile scheine ich vergessen zu haben, die Stirnlampe einzupacken, denn jetzt rund 2 Kilometer weiter beim Frühstück auf einer Bank (es gibt Haferflocken an gerösteten Haselnüssen mit Wasser), sehe ich sie nicht. Bisher leistete sie zur Enttarnung wilder Tiere gute Dienste und gehörte damit zu jenen Gegenständen, auf deren Gewicht ich ungern verzichtete. Nicht auszudenken, wenn es wieder, wie heute Nacht, aufdringlich am Rucksack raschelte und auch ein beherzter Schlag gegen das Gepäckstück das neugierige Etwas nicht zur Flucht veranlasste. Lampe an! Ah, ein riesiger Käfer und nicht etwa eine hungrige Ratte. Alles gut.
Abgesehen davon, beunruhigten mich die Batterien in der Leuchte. Im Wald sind sie Wind und Wetter ausgesetzt und gewiss werden sie eines Tages giftig in den Boden lecken, wenn sie nicht rechtzeitig ein Glücklicher findet.

In die morgendlichen Sorgen fahren ein rundlicher Mann mit Sohn und schwerem Traktor zum Holzmachen vor. Ob ich hier geschlafen habe, fragt der Ältere freundlich, was ich verneine und nur eine halbe Lüge ist. „Da gehört schon Mut dazu!“, übergeht er mein Geflunker im odenwälderischen Singsang. Ihn scheint das Wildzeltabenteuer nicht zu stören. Ich wünsche den beiden fleißigen Holzmännern einen erfolgreichen Tag und ziehe weiter, Richtung Dilsberg, nicht zurück zur Stirnlampe.

Die Bergfeste Dilsberg überrascht mich mit ihrer mittelalterlichen Schönheit. Begeistert setze ich mein erstes Lebenszeichen mit einem Foto in die Messenger-Gruppe, die ich für diesen Wandersommer eingerichtet habe.

Von Dilsberg führt ein steiler Naturweg hinunter nach Neckarsteinach. Die Mitte des Neckars ist die Grenze zwischen Baden-Württemberg und Hessen. Auf hessischen Boden plane ich einen rund zwei Kilometer weiten Umweg über einen Supermarkt zu gehen, der in der entgegengesetzten Richtung des HW 15-Verlaufes liegt. Dem Kartenstudium nach, wird hinter Neckarsteinach eine längere Passage ohne größere Ortschaften folgen. Für das Aufstocken meines Proviantes mit Wasser, Haferflocken und anderen frischen Lebensmitteln bietet sich jetzt vorerst die letzte Möglichkeit.

Ca. 13.00 Uhr, 31.226 Schritte, Saatschulhütte ca. 9 KM bis Wald-Michelbach.

Abgekämpft lasse ich mich auf einer Bank nieder – der einzigen weit und breit. Zuerst schlüpfe ich aus den Schuhen und den dampfenden Socken, stecke die Füße in die luftigen Badelatschen, packe Gaskocher und Töpfchen aus, erwärme darin ein wenig Wasser und schütte es über jenes Kartoffelpüreepulver, das ich seit Sternenfels mit mir herumtrage.

 In Neckarsteinach hatte ich nach einem letzten prüfenden Blick auf die App beschlossen, doch nicht den Supermarkt anzusteuern. Wozu trage ich Convenience-Food, teilweise Überbleibsel der Wanderungen des vergangenen Jahres, mit mir herum, wenn ich gleichwohl nur frisch auf der Tour einkaufte? Ein weiterer Friedhof lag direkt an der Strecke. Wasser würde nicht zum Problem werden. Also lautet die Parole:

Reserven aufbrauchen und Gewicht sparen!

Während das Festmahl vor sich her quillt, operiere ich mir mit dem dreiteiligen Anti-Zecken-Set eines dieser Blutsauger aus der Haut. In mein geschäftiges Treiben platzt ein altes Ehepaar. Ich hörte sie schon Weitem miteinander zanken. Die Frau macht keuchend vor mir Halt. Ihr Schweißfluss (so mächtig wie der Amazonas) wird von einem um den Nacken gelegten Frotteehandtuch aufgesaugt.

„Sie belegen die einzige Sitzbank“, japst sie und ihr scharfer Ton klingt vorwurfsvoll, nicht feststellend. Ich mache Anstalten zur Räumung der unabsichtlich okkupierten Sitzgelegenheit.
Der Mann winkt ab und lenkt die Aufmerksamkeit seiner Angetrauten auf einen Hochsitz, den sie zur Pause nutzen könnten. Der Ehedrachen faucht ihn dunkel an und keucht weiter bergauf. „Sie immer“, entschuldigt sich der Gemahl. Er folgt ihr nicht, sondern klettert auf den Ansitz. Wenige Minuten später kehrt die Frau zurück, würdigt mich keines Blickes und erklimmt ebenfalls die Wildkanzel. Sie schnattern misslaunig weiter miteinander, es scheint der natürliche Ton ihrer Ehe zu sein. Es kommt heraus, dass sie Albvereinsmitglieder sind, bald wieder eine Wanderung ansteht, an der sie in seinen Augen keinesfalls teilnehmen könne, und schlägt stattdessen vor, sie könnten direkt zum Wanderziel vorfahren, der geselligen Einkehr der Gruppe wegen …

Ich habe genug gehört – und heute noch ca. 18 Kilometer vor mir, wenn ich bis Samstagabend Frankfurt erreichen möchte – was ich will, denn ein Hotelzimmer wartet reserviert auf mich.

Der Weg durch den Odenwald ist bunt!

Eilig stopfe ich meine Sachen zurück in den Rucksack. Da rutscht er mir wieder ins Bewusstsein: der 640 Gramm schwere Faltstuhl. Stumm klemmt er in der Seitentasche. Warum ist er mir bei der vorherigen Banknot nicht eingefallen? Da mache ich einer schwerschnaufenden Dame den Sitzplatz streitig und trage dabei meinen eigenen mit mir herum. Ich würde sagen: das Teil bleibt künftig zu Hause.

Mal kurz nachgerechnet: 577 g Stativ, 430 g Sony-Kamera, 160 g DJI-Gimble-Kamera, 142 g Ladegerät und Akkus, 193 g zweite Gaskartusche, 65g Hut, 36 g Trinkbecher, 230 g Buch + 640 g Faltstuhl. Ergibt 2473 g Ausrüstung, die ich nicht nutze.

16:52 Uhr, 44.435 Schritte; Wald-Michelbach; Festmahl im Schatten des REWE

Mein schwerer Rucksack parkt draußen vor dem Supermarkt. So leicht, wie ich mich ohne ihn fühle, fürchte ich, abzuheben, wenn die Hände nicht am Einkaufswagen halten. Wie ein Gasballon an der Schnur schwebe ich hinter dem Karren her und packe alles hinein, was mich anlacht: Bananen, Trauben, Äpfel, zwei Beutel vegetarische Fruchtgummis, eine Cola und der Vernunft wegen etwas Wasser in Flaschen, das ich in meine Trinkblase umfüllen werde.

Endlich im Schatten des Supermarktgebäudes sitzend, ausgehungert Trauben in mich hineinstopfend und hoffend, nicht mitleiderregend auszuschauen, und mir Passanten Pfandflaschen oder Kleingeld zuschieben, überlege ich, wie mein Gepäck besser optimiert wäre. Mehr Mut beim Wasserproviant? Der Regenponcho, der eh dabei ist, als Zeltunterlage zweitnutzen? Das würde 150 Gramm einsparen.

Dass mein Zelt außen am Rucksack hängt, gefällt mir nicht. Besser teile ich es auf drei Beutel auf, dann findet es innen Platz, und sein Gewicht liegt näher am Körper.

Fertig mit Mampfen und Denken, fülle ich das Flaschenwasser in die Trinkblase um und schenke einem vorbeigehenden Mädchen meine Pfandflaschen. Eines der beiden angebrochenen Fruchtgummibeutel entsorge ich im Müll. Es schmeckt fürchterlich künstlich und zuckrig. Kaum ist der Rucksack wieder auf dem Rücken, hüpft das Flaschen-Girl an einem Eis schleckend an mir vorüber. Das Pfand hat sie direkt in Eis investiert – sehr vernünftig bei der Hitze!

Blick zurück auf Wald-Michelbach
Denkanstoss
Denkanstoss
Erwartung
Erwartung
Hommage an den Odenwald
Hommage an den Odenwald
Ireneturm
Ireneturm

Tag 4. von Tromm nach Ober-Ramstadt (41,9 Kilometer)

1500 n.Chr. soll sich hier ein Schneider vor Hexen unter einer Egge versteckt haben. Er wurde entdeckt und auf dem Hexenbesen zu Tode geritten. So die Volkssage.

Müde sitze ich an einer märchenhaften Felsformation auf einer Bank und nippe an meinem Kaffee. Ein Quad fährt langsam an mir vorüber. Der rauschebärtige Fahrer mustert mich, entscheidet sich für ein Nicken zum Morgengruß und zieht vorbei. Das Geräusch des Gefährts erkenne ich vom Vorabend wieder. Bei Sonnenuntergang blieb der Fahrer auf der Höhe stehen, an der ich in den Wald geschlüpft war, um einen Schlafplatz zu finden. Ich wähnte mich deshalb ertappt und erwartete, bald von ihm oder dem Förster oder der Polizei besucht zu werden. Alarmiert war ich die halbe Nacht damit beschäftigt, das Rascheln und Hüpfen und Knacken im Gehölz zu deuten. Ein Tier schnüffelte sich mehrmals nah an mich heran, sämtliche Haare an mir stellten sich entsetzt auf. Zwar hatte ich zum Glück die Stirnlampe bei den Schlafsachen wiedergefunden – in die Dunkelheit leuchten traue ich mir nicht.

Übermüdet stempelte ich das Tier bald als unbekannt aber ungefährlich ab und nicke endlich ein. Trotzdem waren es nur rund vier Stunden Schlaf.

Um 5:20 Uhr, nachdem ich die restlichen Fruchtgummis verschlungen und der Rucksack gepackt war, bin ich losmarschiert. Bis Frankfurt bleiben 78 Kilometer.

9:15 Uhr, 15.029 Schritte,

Drachenstädtchen Lindenfels.

Lecker Bienenstichtaler und Mezzomix und: Willkommen auf dem Nibelungensteig.

Bienenstich
Blick auf die Burg
Stadttor
Wegzeichen
Waldpfad
Steinwald
Blick auf Burg II

12:34 Uhr, 28.941 Schritte, Lützelbach.


Ein schenkwütiges Völkchen ist hier beheimatet. Fast vor jedem Haus stehen kleine Pappschildchen mit dem Schriftzug „zu verschenken!“ Meist sind es Bücher. Das hatte schon etwas von einem Lesezirkel oder einer Freiluftbücherei: Die ausgelesenen Romane werden vors Haus gestellt, bis sie vom nächsten gelesen und weiterverschenkt werden. Ich hadere kurz, ob sich hier nicht die Gelegenheit bot, meinen 230 Gramm Schinken „Das Glück des Gehens“ loszuwerden. Entscheide mich dann aber dagegen.

Hinter dem Städtchen ist Zeit für ein überschaubares Mittagessen: einen jenseits des Mindesthaltbarkeitsdatums befindlichen Beutel Uncle Ben’s 5-Korn-Mix, dazu zwei Äpfel.

Die Gurte des schweren Rucksacks haben Bissspuren an meiner Schulter hinterlassen. Mit gefalteten Schlauchtüchern unter den Trägern verschaffe ich mir Linderung. Ob Spülschwämme nicht die bessere Lösung wären? Und wieder ist eine Zecke an mir dran.

Spruch am Haus: "Heute blühen wir wie ein Röslein rot morgen sind wir krank ja wol gar tot".

18:12 Uhr, 51.076 Schritte, Ober-Ramstadt

Der erste Ort, den ich ansteuere, ist der Friedhof. Er liegt präsent am Ortsrand. Ich fülle den ratzeputz leergeschlürften Trinkbeutel auf (wird nun bis Frankfurt reichen) und genieße ein paar Minuten im Schatten unter den Bäumen die würdige Ruhe. Hier und dort kümmern sich Leute um die Gräber und grüßen freundlich. Ein friedlicher Platz, der für Endgültigkeit steht und doch wie alles andere der Wandlung unterliegt. Menschen, die heute die Grabstellen gießen, werden bald ebenfalls hier begraben und bald vergessen, ihre Gräber aufgelöst und in den ewigen Kreislauf von Kommen und Gehen zurückgekehrt sein. Warum bin ich gerade so sentimental?

Ober-Ramstadt ist ein größer Örtchen und ich suche den Dönerladen. Ich finde einen. Nicht direkt am HW15, dafür aber am E1. Richtig hungrig bin ich nicht, obwohl ich heute nur die Fruchtgummis, den Uncle Ben’s Beutel und zwei Äpfel gegessen habe.

20:05 Uhr, 55.441 Schritte, Odenwaldblick

Den Veggie-Döner und die Fallaffel habe ich auf der Suche nach einem gemütlichen und schattigen Plätzchen über die Stadtgrenze Ober-Ramstadt getragen. Nach einem Anstieg setze ich mich in einen Unterstand des Odenwaldklubs und beobachte das Treiben. Es ist die Hölle los. Reiter und Dog-Walker nützen den hier beginnenden Wald für einen Abendritt Hoch-zu-Ross oder Toilettengang down-the-earth. Nicht erwähnen brauche ich, dass mein Essen durchweicht mehr einem Brei, denn knackig Brot entspricht. Schmecken tuts trotzdem.

Tag 5. Von Ober-Ramstadt nach Frankfurt am Main (44,5 Kilometer)

8.00 Uhr, 17.324 Schritte
In der Nacht hatte ich Glück: Die Wetter-App prophezeite zu 80 % Regen mit Gewitter. Die anderen 20 % waren auf meiner Seite, denn letztlich vernahm ich nur fernes Donnergrollen. Ein leichter Wind lies Zweige herunterrieseln und ich grabbelte im Dämmerlicht nochmals aus dem Zelt, um die zum Lüften an Ästen aufgehängten Wanderklamotten vorsorglich ins Trockene zu bringen. Und da sah ich es: etwas oder jemand stand unweit der Unterkunft und starrte in meine Richtung. Mein Herz schlug augenblicklich bis zum Hals und alle Haare stellten sich auf, es knisterte fast sichtbar. Ich erinnere mich nicht, wann ich zuletzt eine solche Gänsehaut und tiefen Schrecken hatte. Kampfbereit leuchte ich das Etwas an und erkenne … einen Baumstumpf.

Am Morgen kratze ich zwei Zecken vom Rücken und nehme mir vor, am Abend im Hotelzimmer auf der Suche nach weiteren Blutsaugern intensiv den Spiegel zu konsultieren. Eine Dusche und saubere Kleidung – die Vorfreude lässt mich die ersten zwölf Kilometer wandern, als sei es keine Distanz. Das Frühstück folgt dem Sprint. Es ist kalt angerührt: Haferflocken mit Haselnüssen und Kaffee. Nahe der Wohnhäuser zu Messel möchte ich den Gaskocher nicht in Betrieb nehmen.

Mal kurz nachgerechnet: 577 g Stativ, 430 g Sony-Kamera, 160 g DJI-Gimble-Kamera, 142 g Ladegerät und Akkus, 193 g zweite Gaskartusche, 65 g Hut, 36 g Trinkbecher 230 g Buch, 640 g Faltstuhl, + 150 g Zeltunterlage, + 405 g Ersatzkleidung. Ergibt 3028 g Ausrüstung, die ich nicht nutze.

Am kleinen linken Zeh wächst eine Wasserblase. Nicht nur deshalb gönne ich mir frische Socken und ein neues Oberteil. Die alten Sachen riechen nicht, davon habe ich mich gestern schnüffelnd überzeugt. Merino ist wahres Wunderzeug! Aber warum den zweiten Satz Wanderklamotten 170 Kilometer ungenutzt herumschleppen? Daheimlassen oder Anziehen! 405 Gramm unnötiges Gepäck.

13:00 Uhr, 35.291 Schritte, Dreieichenhein. Die Schönheit dieser Ortschaft erwischt kalt. Fachwerkhäuser, eine Burgruine und nur noch 15 Kilometer bis Frankfurt.

Auf der Suche nach dem Hinweisschild auf den Wanderweg hier am Beginn in Frankfurt-Sachsenhausen, scheitere ich. Entweder es gibt keines oder ich sehe mich an der falschen Stelle um. Meine Suche wird missdeutet und ich erhalte unverhofft den Ritterschlag zum Pilger: Ein fremder Mann spricht mich an: „Sie sehen aus, als suchten Sie eine günstige Pilgerunterkunft. Soll ich Ihnen den Weg zur Jugendherberge zeigen?“
Ich verneine und erreiche bei 64.291 Schritten Mainhattan.

Unweit des Bahnhofs ist mein Hotel. Gleich zwei Pizzen „Verdura“ verdrücke ich am Abend und falle hundemüde in ein gemütliches Hotelbettchen. Die Discomusik und das laute Treiben in den Straßen halten mich nicht wach. Mit einem Grinsen im Gesicht schlafe ich ein. Vom beschaulichen Sternenfels bin ich ins verruchte Frankfurt gewandert, wo Haschischduft unweit Polizeinasen in der Luft liegt.

Fazit: Das Gewicht der Spontaneität. Wer für jede Gelegenheit gerüstet sein möchte, trägt schwer.

Main-Stromberg-Weg (HW 15)

Die Fakten:

172 Kilometer

Auf-/Abstiege: 2900m/3110m

Gepäck:

Mit gut 3 Kilos war der Rucksack unnötig bepackt.

Kosten:

(außer Verpflegung, weil ich ja auch zu Hause Essen muss :))

Hotel in Frankfurt: 43,31 EUR (Leonardo Hotel Frankfurt City Center)
Rückfahrt mit DB nach Mühlacker: 32,90 EUR
Gesamt: 76,21 EUR entspricht 19,05 EUR pro Urlaubstag.

Das war der erste Teil meiner diesjährigen Fernwanderung. Wie es nach Mainhattan, dem einstweiligen Ziel, weitergeht, erzähle ich in einem anderen Post.

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