Wanderung auf dem HW 10 (Teil 2)
Tiefschwarz segelt ein Kormoran an mir vorüber, ein Reiher fliegt auf, Regentropfenkreise auf dem Neckar bei Pleidelsheim. Stetes Autobahnfauchen in der Ferne, Erntehelfer buckeln vor folierten Ackerreihen. Das sind die Bilder am Morgen des zweiten Tages meiner Wanderung auf dem HW 10 von Sternenfels zum Kloster Lorch. Von der ersten gruseligen Nacht im Biwakzelt erzähle ich im vorherigen Artikel. Weiter unten gebe ich dir noch Fazit über mein mitgeführtes Übernachtungsutensil*. Diese Etappenwanderung ist die Auf-eigene-Faust-Prämiere. Sie wird mir Klarheit bringen. Gibt es den Etappenwanderer, den ich im Herzen vermute, tatsächlich? Nichts ist geplant, außer der Wegmarkierung des HW 10 zu folgen.
Beim ersten Starkregen in den frühen Morgenstunden war ich versucht, den Heimweg anzutreten. Aber jetzt in den Weinbergen von Benningen, wo ich bei Sonnenschein drei Sauerkirschen mundraube, ist die Zuversicht zurück. Ich wandere beschwingt hinunter ins Tal und genieße später das leichte Schaukeln der Neckarbrücke hinüber nach Marbach. In der Schillerstadt besuche ich eine Freundin, was einen kleinen Umweg bedeutet. Bei ihr wasche ich mir Kopf und Oberkörper und gehe zur Toilette. Welch Komfort!
50,– EUR sind in meiner Börse und der Personalausweis. Unter dem Eindruck der letzten gruseligen Nacht leihe ich mir 100,– EUR für eine Backnanger Pension heute Abend, sofern es diese gibt. Bei diesem unsteten Wetter graust mir vor einer erneuten Übernachtung in einem engen Biwakzelt auf freiem Feld. Weiter unten im Text habe ich einmal die Vor- und Nachteile des Zeltes aufgeschrieben.
12:08 Uhr, 30.918 Schritte, 2.164 Kalorien. Es schüttet heute zum zweiten Mal. Rechtzeitig taucht ein Spielplatz mit Grillhütte vor mir auf. Ich raste und nutze die Zeit für Reiswaffeln und Notizen in mein Logbuch. Ich habe wieder Internetempfang und zahle der Freundin 100 EUR über PayPal zurück. Nach einer halben Stunde ist das Gröbste vorbei und ich bin mir sicher, dass der Regen dem Wald guttut. Die wiederholte Trockenheit macht ihm zu schaffen, abgestorbene Baumkronen sind oft zu sehen. Mit kaltem Wasser rühre ich einen Instantkaffee an, ehe ich weiterwandere.
14:50 Uhr. 40.426 Schritte, 2901 Kalorien. Der Starkregen ist zurück; diesmal mit Blitz und Donner. Das Wasser jagt die Straße nach Kirchberg hinunter – ein asphaltiertes Flussbett. Ich suche an einer Bushaltestelle Unterschlupf – sie kommt wie bestellt. Die Idee mit der Pensionsübernachtung erscheint mir falsch, beinah weicheimäßig. Für die kommende Nacht wünsche ich mir eine Grillhütte oder eine abgeschiedene überdachte Haltestelle wie diese hier. Welch Horrorvorstellung das Biwak-Zelt bei Unwetter unter freiem Himmel aufzubauen. 15.05 Uhr. Der Regen hat nachgelassen. Ich gehe weiter.
16:50 Uhr. 50.117 Schritte. 3.469 Kalorien. Den ganzen Tag über habe ich mich auf einen vegetarischen Döner in Backnang gefreut. In der Stadt führt der Weg am Bahnhof vorbei – und gibt es nicht an jeder Bahnstation dieser Republik einen Dönerstand? Jetzt bin ich da und der Dönerladen ebenso. Mit einem Mal sind es mir aber zu viele Menschen – ich will nicht reden, nicht Corona-Maske tragen. Deshalb zweckentfremde ich ein Stück weiter wieder eine Bushaltestelle als Rastplatz und verdrücke eine 200 Gramm Packung Studentenfutter (1.074 Kalorien auf einen Schlag). Mit den Feuchttüchern reibe ich die nassen und dreckigen Füße sauber und gönne mir ein frisches Paar Socken. Die Frage nach dem Sinn bei den klammen Schuhen stelle ich mir nicht. Es fühlt sich toll an.
Ca. 19.00 Uhr. 60.348 Schritte, 4.292 Kalorien. Allmersbach im Tal. Ich bin auf dem Jakobsweg. Und treffe an einer Grillhütte auf den Wanderer K. aus R.. Er folgt dem Pilgerpfad bis Rothenburg ob der Tauber. Unbefangen tauschen wir die Lebenswege aus. Laufe ich noch ein Stündchen und hoffe auf eine weitere Hütte? Der einsetzende Regen nimmt die Entscheidung ab. Morgen werde ich sehen, dass es der richtige Entschluss war, denn es wird keine Schutzhütte mehr kommen. Und es regnet die ganze Nacht.
8.00 Uhr. 10.423 Schritte. 982 Kalorien. Mein Schlaf war entspannt und ruhig. Jetzt sitze ich gutgelaunt in Rudersberg vor einem Bäcker und frühstücke zwei Schneckennudeln mit richtigem, heißem Kaffee.
12:00 Uhr. 30.154 Schritte, 2.011 Kalorien. Mein Glaube an den „Trail Magic“ ist gefestigt: Das dritte Mal auf dieser Tour taucht pünktlich zum Starkregen eine Schutzhütte vor mir auf. Die Hosenbeine sind durchnässt, weil ich vorhin einem Trampelpfad durch eine ungemähte Wiese folgte und mir die nassen Grashalme die Hose entlang gestreift sind. Die Hütte liegt an einer schmalen Autostraße, die jetzt zur Mittagszeit recht befahren ist. Wenn einen dies nicht stört, ließe sich hier ein Tarp aufschlagen und übernachten. Ich esse Käsebrezeln aus Rudersberg. Zum Glück auf Vorrat gekauft, denn unterwegs gab es keine Möglichkeit den Proviant aufzufüllen. (Ich habe auf der Wanderung jeden Bäcker angesteuert …)
Bis Lorch bleiben 11 Kilometer. Die ersten Gedanken über das Weiter kommen auf: Welchen Weg laufe ich als nächsten? Und wann? Wie dem Drang zu wandern und der Rolle des Familienvaters und Ehemanns gerecht werden? Nur eines ist klar: Die oben gestellte Frage ist beantwortet: Ja, ich bin definitiv ein Etappenwanderer!
15:30 Uhr 45.240 Schritte 2.887 Kalorien. Ziel erreicht. Ich stehe vor dem Klostertor.
In Lorch finde ich den Weg lückenhaft markiert. Zuvor gab es auch zwei oder drei Wegpunkte, wo ich froh war, auf meine App zurückgreifen zu können, weil die Markierungen fehlten.
Am Kloster gibt es eine Falknerei. Und einen Limesturm.
Das Geer Top „Bivy II“ * war auf dieser Tour mein Begleiter. Es hat eine Fläche von 230 x 75 x 60 H cm und wiegt 1.25 kg. Der Platz, den es im Rucksack einnimmt, ist überschaubar.
Meine Wünsche an das Zelt waren:
Weil ich zur Not wildcampen wollte, war es mir wichtig, dass die Unterkunft noch als Biwak-Sack durchgehen würde und mir deshalb schwerer wildes Zelten zu unterstellen war.
Das Bivy II erfüllt eingeschränkt meine Bedürfnisse. Klein und leicht ist es. Trotzdem hat es etwas Stauraum, um den 60-Liter-Rucksack in der Nacht mit hinein zu nehmen. Schnell aufbauen lässt es sich, wenn man den Kniff einmal heraus hat und die Stangen nicht verwechselt. Unauffällig? – Auf jeden Fall! Das Zelt besteht aus einer Plane! Es hat jedoch einen großen Fliegengitteranteil an der Oberseite und ermöglicht dadurch einen Blick auf die Sterne. Per Reißverschluss ist ruckzuck die Regenplane, die sich an dieser Stelle aufrollen lässt, wieder geschlossen.
Durch das Gestänge ist das Bivy II zumindest im Kopfbereich freistehend. Im Fußbereich fällt die Plane ohne Abspannschnur in sich zusammen. Dort und im Kopfteil ist zur optimalen Belüftung Mesh eingenäht. Bei Regen empfiehlt sich deshalb das Abspannen auf jeden Fall, da nur so die Luftzirkulation gewährleistet wird. Durchzugsfrei wird es bald stickig im Zelt.
Der flachen Form wegen geht das Zelt mit gutem Willen als Biwaksack durch. Entgegen gewöhnlicher Säcke zum Biwakieren besitzt es wie bereits gesagt ein Gestänge. Im Kopfbereich wird die Schutzhülle so vom Körper ferngehalten und es kommt dadurch ein leichtes „Zeltfeeling“ auf. Die geringe Höhe von 60cm lässt das Aufsitzen nicht zu. Wie im ersten Artikel beschrieben, beklemmte mich das sehr. Das Bivy II wird von oben betreten, was komfortabler ist, als der seitliche Einstieg. Leider öffnet es so beim Reinkommen und Verlassen dem Regen Tür und Tor.
Das Zelt eignet sich für Touren bei Sommerwetter ohne angesagte Niederschläge. Planst du vorrangig in Schutzhütten zu übernachten, und wünschst trotzdem ein Insektenschutz, ist das Bivy II zwar brauchbar, pures Mesh trägt sich aber leichter.
Ist das Wetter nass und der Aufbau ausschließlich unter freiem Himmel möglich, dann werde ich künftig lieber ein anderes Fabrikat verwenden. Entgegen der Artikelbeschreibung finde ich das Bivy II nicht tauglich, um dort mal einen halben Tag vor dem Regen zu flüchten und z.B. nur im Schlafsack zu lesen. Für die nächste Etappenwanderung habe ich mir jetzt das NEMO Hornet*2P gekauft. Wo es im August hingeht und wie sich das Zelt schlägt, erzähle ich dann ein anderes Mal hier auf dem Blog.
Hast Du Erfahrung mit dem Spontancampen? Welches Zelt benutzt Du? Achtest Du eher auf das Gewicht oder schleppst du für zusätzlichen Komfort gerne mehr Kilos mit dir herum? Erzähl mir bitte davon in den Kommentaren.
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